Unterschied zwischen Maschine und unvollständiger Maschine: Definition, Anforderungen und Pflichten

Unterschied Maschine und unvollständige Maschine

Unterschied zwischen Maschine und unvollständiger Maschine – Definition, Anforderungen und Pflichten nach Maschinenrichtlinie

Dirk Leitsch
Dirk Leitsch

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1. Wann liegt eine vollständige Maschine vor?

1.1 Sicherheitsanforderungen und Einsatzbereitschaft

Eine vollständige Maschine muss alle Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen gemäß der Maschinenrichtlinie erfüllen. Das bedeutet, sie ist konstruktiv so ausgeführt, dass sie bei ordnungsgemäßer Verwendung keine Gefährdungen für den Benutzer darstellt. Sie darf sofort verwendet werden, sofern der Arbeitsschutz eingehalten wird. Die Konformität zur Maschinenrichtlinie muss durch ein Konformitätsbewertungsverfahren nachgewiesen werden. Dazu gehört auch die Erstellung einer Risikobeurteilung sowie die vollständige technische Dokumentation.

1.2 Bestimmungsgemäße Verwendung und Funktion

Eine Maschine ist darauf ausgelegt, eine konkrete Funktion zu erfüllen. Sie ist für eine bestimmte Anwendung gebaut und ihre Komponenten sind dafür konstruiert, diese Anwendung umzusetzen. Ein typisches Beispiel ist eine Schlagbohrmaschine, die funktionsfähig ist und sofort zur Bohrung eingesetzt werden kann. Sie ist damit eindeutig verwendungsbereit und erfüllt ihre bestimmungsgemäße Verwendung.

1.3 Konformitätsbewertungsverfahren und CE-Kennzeichnung

Die vollständige Maschine erhält nach erfolgreichem Abschluss des Konformitätsbewertungsverfahrens eine CE-Kennzeichnung. Diese wird auf einem Typenschild angebracht und durch eine Konformitätserklärung dokumentiert. Zusätzlich muss eine Betriebsanleitung vorliegen, die eine sichere Nutzung der Maschine gewährleistet.

2. Was zeichnet eine unvollständige Maschine aus?

2.1 Fehlende Funktionen und Sicherheitsanforderungen

Eine unvollständige Maschine erfüllt die Anforderungen der Maschinenrichtlinie noch nicht vollständig. Meist fehlen noch wesentliche Bauteile oder Sicherheitskomponenten, sodass sie ihre bestimmungsgemäße Funktion nicht ausführen kann. Sie darf physikalisch noch nicht betrieben werden. Ein Beispiel ist eine drehende Welle ohne daran angebaute Funktionseinheit. Diese erfüllt keine eigenständige Aufgabe.

2.2 Einbauerklärung und Montageanleitung

Anstelle einer Konformitätserklärung wird für unvollständige Maschinen eine Einbauerklärung erstellt. Diese enthält den Hinweis, dass die Maschine erst nach vollständigem Einbau und nachfolgender Bewertung der Gesamtanlage in Betrieb genommen werden darf. Zusätzlich ist eine Montageanleitung beizulegen, die den sicheren Einbau beschreibt.

2.3 Typenschild ohne CE-Kennzeichnung

Unvollständige Maschinen dürfen nicht mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden, da sie die vollständigen Anforderungen noch nicht erfüllen. Ein Typenschild kann angebracht werden, jedoch ohne das CE-Zeichen.

3. Die Grauzone: Unsichere Maschinen

3.1 Fehlende Schutzeinrichtungen und deren Folgen

In der Praxis gibt es Fälle, in denen Maschinen äußerlich vollständig erscheinen, jedoch sicherheitstechnisch unvollständig sind, z.B. wenn lediglich eine Schutzeinrichtung wie eine Tür fehlt. Solche Produkte gelten nicht als unvollständige Maschinen, sondern als unsichere Maschinen. Sie dürfen nicht in Verkehr gebracht werden, auch wenn sie eine bestimmte Funktion erfüllen könnten.

3.2 Abgrenzung zur unvollständigen Maschine laut Kommentar zur Maschinenrichtlinie

Laut Kommentar zur Maschinenrichtlinie (Ausgabe 2.2, Oktober 2019) gilt:

Maschinen, die unabhängig betrieben werden können, aber nur wegen fehlender Schutzvorrichtungen nicht sicher sind, sind keine unvollständigen Maschinen.

Diese Unterscheidung ist entscheidend, da sie über die Rechtmäßigkeit des Inverkehrbringens entscheidet.

4. Verantwortlichkeiten von Hersteller und Käufer

4.1 Vertragliche Klarheit bei Bestellung

In der Praxis entstehen häufig Missverständnisse zwischen Lieferanten und Käufern, wenn nicht eindeutig vertraglich geregelt wird, ob eine Maschine oder eine unvollständige Maschine bestellt wurde. Ich empfehle daher, bereits im Angebot und in der Bestellung klar festzuhalten, ob eine CE-konforme Maschine geliefert werden soll oder eine unvollständige Maschine. Diese Klarheit ist entscheidend, um rechtliche und sicherheitstechnische Anforderungen eindeutig zuzuordnen.

4.2 Pflichten bei vollständiger Maschine vs. unvollständiger Maschine

Wird eine vollständige Maschine bestellt, liegt die Verantwortung für die CE-Kennzeichnung, die Risikobeurteilung und die vollständige technische Dokumentation beim Hersteller. Der Hersteller muss die Maschine mit Betriebsanleitung und CE-Kennzeichnung ausliefern.

Wird hingegen eine unvollständige Maschine geliefert, übernimmt der Käufer die Verantwortung dafür, dass die Gesamtmaschine vor der Inbetriebnahme den Anforderungen der Maschinenrichtlinie entspricht. Der Lieferant muss eine Einbauerklärung und eine Montageanleitung zur Verfügung stellen.

5. Praxisbeispiel Roboterzelle: Von der unvollständigen zur vollständigen Maschine

Ein anschauliches Beispiel für den Übergang von einer unvollständigen zu einer vollständigen Maschine ist die Roboterzelle. Ein Industrieroboter ohne Greifer, ohne Steuerung, ohne Schutzzaun und ohne weitere Sicherheitseinrichtungen gilt als unvollständige Maschine. Er kann keine bestimmungsgemäße Funktion ausführen und darf nicht betrieben werden.

Erst durch den Anbau eines Schweißgeräts, die Integration in eine gesicherte Zelle mit Steuerung und Sicherheitstechnik sowie die Durchführung eines vollständigen Konformitätsbewertungsverfahrens entsteht eine vollständige Maschine. Diese darf dann CE-konform in Verkehr gebracht und betrieben werden.

Dieses Beispiel verdeutlicht die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung und zeigt, wie wichtig die Risikobeurteilung und die sicherheitstechnische Auslegung der Gesamtanlage ist.

Sie sind unsicher, ob es sich bei Ihrem Produkt um eine Maschine oder eine unvollständige Maschine handelt? Vereinbaren Sie jetzt ein kostenloses Erstgespräch und wir unterstützen Sie bei der Bewertung, Dokumentation und CE-Kennzeichnung Ihrer Maschinen.

"Lassen Sie uns prüfen, ob Sie die Herstellerhaftung übernommen haben und leiten Sie die notwendigen Schritte ein, um Ihre Sorgfaltspflicht zu erfüllen."

Dirk Leitsch

Ihr Experte für CE-Kennzeichnung von Maschinen und Anlagen.

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