Probebetrieb von Maschinen und Anlagen: Verantwortung, Sicherheit und praktische Umsetzung

Bevor eine neue Maschine produktiv eingesetzt werden kann, muss sie getestet werden, nicht nur auf ihre Funktion, sondern auch im Hinblick auf Prozesssicherheit und spätere Betriebssicherheit. Dieser Zeitraum zwischen dem Abschluss der Montage und der Übergabe an den Betreiber wird als Probebetrieb bezeichnet.

Im folgenden Beitrag erhalten Sie einen Überblick über den Probebetrieb, seine rechtliche Einordnung sowie die konkreten Anforderungen aus der Praxis, insbesondere im Hinblick auf CE-Kennzeichnung und Arbeitsschutz.

Dirk Leitsch
Dirk Leitsch

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1. Ohne Überprüfung keine CE-Kennzeichnung

Bevor eine CE-Kennzeichnung erfolgen kann, muss die Maschine den Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie entsprechen. Für die vollständige Überprüfung muss die Maschine jedoch in der Regel auch eingeschaltet werden.

In vielen Projekten wird übersehen, dass dieser zeitliche Abschnitt rechtlich, organisatorisch und sicherheitstechnisch gesondert zu betrachten ist. Obwohl es sich nicht um eine Inbetriebnahme im Sinne der Maschinenrichtlinie handelt, treten bereits gefährdende Bewegungen auf, für die klare Verantwortlichkeiten, Schutzmaßnahmen und Abläufe notwendig sind.

2. Was ist ein Probebetrieb?

Der Probebetrieb beschreibt eine Phase, in der eine neu hergestellte Maschine oder Anlage funktional getestet wird. Dies erfolgt in der Regel, bevor die offizielle Übergabe an den Betreiber erfolgt. Ziel ist es,

• die Maschine stückweise in Betrieb zu nehmen,
• Prozessparameter einzustellen,
• Funktionsprüfungen durchzuführen,
• erste Störungen zu identifizieren und zu beseitigen.

Wichtig ist die Abgrenzung zur Inbetriebnahme gemäß Maschinenrichtlinie. Diese beschreibt die erstmalige bestimmungsgemäße Verwendung der Maschine durch den Betreiber, also den Produktionsstart. Der Probebetrieb hingegen findet unter der Verantwortung des Herstellers statt, bevor eine CE-Kennzeichnung vergeben wurde. Diese erfolgt erst, wenn sichergestellt ist, dass die Maschine alle Anforderungen der Richtlinie erfüllt.

In der Praxis bedeutet das: Es existiert kein „Ein-Schalter“, mit dem die Maschine vollständig betriebsbereit ist. Vielmehr handelt es sich um einen iterativen Prozess, d.h.

• einzelne Komponenten werden geprüft,
• Antriebe getestet,
• Sicherheitseinrichtungen Schritt für Schritt aktiviert.

Der Probebetrieb ist somit ein essenzieller Abschnitt auf dem Weg zur sicheren und konformen Anlage.

3. Rechtlicher Rahmen und Verantwortung des Probebetriebs

Obwohl der Probebetrieb in der Maschinenrichtlinie nicht geregelt ist, unterliegt er sehr wohl rechtlichen Anforderungen, insbesondere aus dem Bereich des Arbeitsschutzes. Die maßgeblichen Vorschriften für den Probebetrieb sind:

• DGUV Vorschrift 1 – Grundsätze der Prävention
• Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)
• Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

Diese Vorgaben gelten, weil sich der Probebetrieb im Spannungsfeld zwischen Herstellung und Nutzung bewegt. Er ist nicht Teil der Produktsicherheit im Sinne der Maschinenrichtlinie, sondern fällt in den Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes.

Die Verantwortung für die sichere Durchführung liegt eindeutig beim Hersteller, also bei dem Unternehmen, das die Maschine beim Betreiber aufstellt.

Diese Verantwortung muss schriftlich geregelt sein, besonders wenn mehrere Hersteller oder Lieferanten an der Gesamtanlage beteiligt sind. In solchen Fällen übernimmt üblicherweise ein Generalunternehmer die Rolle des verantwortlichen Herstellers während des Probebetriebs.

Erst nach erfolgreichem Abschluss dieses Abschnitts erfolgt die formelle Übergabe an den Betreiber, verbunden mit der vollständigen Funktionalität und der Konformitätserklärung zur CE-Kennzeichnung.

4. Übergabe der Anlage: Wann endet der Probebetrieb?

Der Probebetrieb endet mit der formellen Übergabe der betriebsbereiten Maschine an den Betreiber. Diese Übergabe erfolgt erst dann, wenn die Anlage

• vollständig getestet wurde,
• alle Funktionen wie vorgesehen arbeiten und
• sämtliche sicherheitsrelevanten Einrichtungen betriebsbereit sind.

Bis zu diesem Zeitpunkt liegt die Verantwortung weiterhin beim Hersteller. Erst mit Abschluss des Probebetriebs beginnt die Verantwortlichkeit des Betreibers im Sinne der Maschinenrichtlinie und der tatsächlichen Inbetriebnahme der Maschine.

Entscheidend ist dabei, dass keine parallelen Tätigkeiten wie

• Montage,
• Verkabelung oder
• Umbauten

während des Probebetriebs stattfinden. Die Abläufe sind sauber zu trennen. Eine gleichzeitige Durchführung von Montagearbeiten und funktionalen Tests birgt erhebliche Gefährdungspotenziale und widerspricht den Grundsätzen des Arbeitsschutzes.

5. Sicherheitskonzept und Gefährdungsbeurteilung

Damit der Probebetrieb sicher durchgeführt werden kann, ist eine vorgelagerte Gefährdungsbeurteilung zwingend erforderlich. Diese orientiert sich nicht an der Maschinenrichtlinie, sondern an den Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung und des Arbeitsschutzgesetzes.

Ziel ist ein eigenständiges Sicherheitskonzept für den Probebetrieb, das genau definiert:

• welche Risiken auftreten können,
• welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen,
• welche Ersatzmaßnahmen gelten, wenn Schutzeinrichtungen temporär noch nicht vollständig wirksam sind.

Beispiel: Wenn bestimmte Türen noch offenstehen müssen, um Einstellungen vorzunehmen, muss durch technische oder organisatorische Maßnahmen sichergestellt sein, dass keine gefährdenden Bewegungen unbeabsichtigt ausgelöst werden können.

Dieses Konzept bildet die Grundlage für die sichere Durchführung des Probebetriebs und ist gleichzeitig Voraussetzung für eine spätere CE-konforme Übergabe der Anlage.

6. Praktische Maßnahmen zur Sicherheit im Probebetrieb

In der Praxis hat sich ein systematisches Vorgehen mit mehreren abgestimmten Sicherheitsmaßnahmen bewährt. Dazu zählen insbesondere:

Benennung eines verantwortlichen Leiters oder einer Leiterin des Probebetriebs inklusive schriftlicher Festlegung und Stellvertretung.
Qualifikation dieser Person zur fachlichen Überwachung und Anleitung der beteiligten Kräfte.
Festlegung des genauen Ablaufs: Wann beginnt der Probebetrieb, wann endet er, welche Aggregate werden in welcher Reihenfolge geprüft?
Kennzeichnung und Absperrung des Gefahrenbereichs: z. B. durch Warnschilder, Zugangsbeschränkungen und sichtbare Informationen zur verantwortlichen Person.
Technische Zutrittskontrolle: Etwa durch verriegelte Türen, Zäune und nur autorisierte Schlüsselvergabe.

Diese Maßnahmen dienen nicht nur dem Schutz der Beschäftigten, sondern sind auch notwendig, um Haftungsrisiken für Hersteller zu reduzieren. Insbesondere bei großen Anlagen oder Baustellen, wo viele Akteure gleichzeitig tätig sind, ist eine strikte Trennung der Zuständigkeiten essenziell.

7. Technische Maßnahmen zur Risikominimierung

Neben organisatorischen Maßnahmen müssen auch technische Vorkehrungen getroffen werden, um die Sicherheit während des Probebetriebs zu gewährleisten. Diese Maßnahmen berücksichtigen, dass sich die Maschine in einem nicht vollständig abgeschlossenen Zustand befindet und noch Anpassungen oder Prüfungen erforderlich sind.
Bewährte technische Maßnahmen im Probebetrieb sind:

Funktionsprüfung von Sicherheitskreisen: Notausschalter und Not-Halt-Kreise müssen bereits im Probebetrieb zuverlässig funktionieren. Sie sind die Mindestvoraussetzung für ein sicheres Stoppen der Maschine im Gefahrenfall.
Teilweise Inbetriebnahme einzelner Komponenten: Antriebe und Steuerung werden zunächst separat geprüft, z. B. durch Signaltests. Erst nach erfolgreicher Prüfung werden sie miteinander verknüpft.
Verwendung reduzierter Geschwindigkeiten: Die Maschine läuft mit verringerter Leistung und Geschwindigkeit, um Risiken bei der Inbetriebnahme von Bewegungsfunktionen zu minimieren.
Zustimmtaster oder Handbediengeräte mit Not-Halt-Funktion: Bedienung erfolgt ortsgebunden und nur durch unterwiesene Personen.
Schutzeinrichtungen so weit wie möglich aktivieren: Auch wenn gewisse Komponenten noch nicht final abgeschlossen sind, sollten die vorhandenen Schutzfunktionen aktiviert und überprüft werden.

Ziel all dieser Maßnahmen ist es, potenzielle Gefährdungen auf ein vertretbares Mindestmaß zu reduzieren, ohne die Funktionalität oder den Ablauf des Probebetriebs zu behindern.

8. Organisatorische Anforderungen

Neben der Technik spielt auch die Organisation des Ablaufs eine zentrale Rolle für die Sicherheit und Effizienz eines Probebetriebs. 3 Elemente sind dabei besonders relevant:

1. Trennung von Montage- und Probebetrieb
Während des Probebetriebs dürfen keine weiteren Montage- oder Verkabelungsarbeiten an der Maschine erfolgen. Diese klare Trennung verhindert ungewollte Wechselwirkungen und senkt das Risiko schwerwiegender Zwischenfälle.
2. Unterweisung aller beteiligten Personen
Alle Beschäftigten, die mit dem Probebetrieb zu tun haben, müssen den Ablauf und die geltenden Sicherheitsmaßnahmen kennen. Eine dokumentierte Unterweisung ist Pflicht, bevor die Personen den Gefahrenbereich betreten dürfen.
3. Sicherstellung von Erste Hilfe und Rettungswegen
Für den Fall eines Notfalls müssen alle organisatorischen Maßnahmen getroffen sein: Rettungswege müssen frei und bekannt sein, Ersthelfer verfügbar und unterwiesen. Das Personal muss wissen, wie es sich in Gefahrensituationen, etwa bei Rauchentwicklung oder Maschinenversagen, in Sicherheit bringt.

Durch konsequente Planung dieser organisatorischen Aspekte lassen sich viele Risiken im Vorfeld ausschließen.

9. Berücksichtigung des Probebetriebs in der Konstruktionsphase

Ein professionell geplanter Probebetrieb beginnt nicht erst nach der Montage, sondern idealerweise bereits während der Konstruktion der Maschine.

Wenn schon in der Konstruktionsphase mögliche Gefährdungen des späteren Probebetriebs mitbedacht werden, können entsprechende Vorkehrungen rechtzeitig getroffen werden. Dazu gehören:

• der gezielte Einbau zusätzlicher Not-Halt-Elemente,
• vorbereiteter Testmodus mit reduzierter Geschwindigkeit,
• Schnittstellen für mobile Bediengeräte.

Durch diese vorausschauende Planung kann der Probebetrieb später sicherer, effizienter und reibungsloser ablaufen. Gleichzeitig wird verhindert, dass bei der späteren CE-Bewertung sicherheitstechnisch unhaltbare Kompromisse eingegangen werden müssen.

10. Weiterführende Informationen

Wer sich tiefergehend mit dem Thema Probebetrieb von Maschinen und Anlagen befassen möchte, findet in der DGUV Information FBHM-016 eine verlässliche und praxisnahe Quelle. Das Dokument trägt den Titel „Probebetrieb von Maschinen und maschinellen Anlagen“ und bietet konkrete Hinweise zur sicheren Durchführung, zu Verantwortlichkeiten sowie zu technischen und organisatorischen Maßnahmen.

Eine klare Empfehlung für alle, die als Hersteller, Planer oder Betreiber mit Probebetrieben zu tun haben.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Wechsel der Rechtsgrundlage: Viele Maschinenprojekte erstrecken sich über längere Zeiträume. In solchen Fällen muss geprüft werden, ob während des Herstellungs- oder Probebetriebs ein Übergang von der bisherigen Maschinenrichtlinie zur neuen Maschinenverordnung (EU 2023/1230) relevant wird.

11. Fazit

Der Probebetrieb ist eine essenzielle Übergangsphase zwischen Herstellung und Produktion. Er ermöglicht es, Funktionen zu testen, Prozesse zu optimieren und Sicherheitseinrichtungen schrittweise zu erproben, bevor die Verantwortung auf den Betreiber übergeht.

Obwohl gesetzlich nicht ausdrücklich in der Maschinenrichtlinie geregelt, unterliegt der Probebetrieb klaren Anforderungen aus dem Arbeitsschutzrecht. Der Hersteller trägt die volle Verantwortung und muss diese organisatorisch, rechtlich und sicherheitstechnisch absichern.

Mit einer strukturierten Planung, einer soliden Gefährdungsbeurteilung und der konsequenten Umsetzung technischer und organisatorischer Schutzmaßnahmen lässt sich ein sicherer und rechtskonformer Probebetrieb realisieren.

Wer den Probebetrieb frühzeitig in der Konstruktions- und Projektphase berücksichtigt, schafft die Grundlage für eine reibungslose CE-Kennzeichnung und trägt aktiv zur Sicherheit der späteren Nutzung bei.

Wir können Sie bei der CE-Kennzeichnung Ihrer Maschinen und Anlagen unterstützen und Sie auch zur optimalen Gestaltung des Probebetriebes beraten. Kontaktieren Sie uns gerne für ein kostenloses Beratungsgespräch, um die Details für eine sichere Umsetzung zu besprechen.

"Lassen Sie uns prüfen, ob Sie die Herstellerhaftung übernommen haben und leiten Sie die notwendigen Schritte ein, um Ihre Sorgfaltspflicht zu erfüllen."

Dirk Leitsch

Ihr Experte für CE-Kennzeichnung von Maschinen und Anlagen.

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